Erlebnis Kesslerloch

Die Veranstaltung im ehemaligen Holcim Areal beim Kesslerloch zum 50 jährigen Jubiläum des UOV Reiat war ein voller Erfolg. Bei schönstem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen herrschte den ganzen Tag reges Treiben und eine lockere Stimmung. Vor allem Familien und begeisterte Kinder waren überall gemeinsam aktiv und prägten das Bild. Besucher und Helfer stärkten sich immer wieder mit Speis und Trank im zentral gelegenen Festzelt. Fritz, der „Rustika“ Wirt und Wirbelwind hinter der Theke, musste nach dem anstrengen Tag mit seiner Crew eingestehen, das sein Jammern im Vorfeld völlig unbegründet war.

Das Fest wurde offiziell gestartet mit den Laudatien der Vertreter des Kantones, der Gemeinde und unseres Präsidenten Kurt Looser. Gleichzeitig wurden die Hauptattraktionen des Tages lanciert und davon gab es gleich dreierlei:

Zum Ersten, die Ausstellungen zum Thema „Rentierjäger“ unter der Leitung des Kantonsarchäologen Markus Höneisen, welche den Anspruch hatte, die Geschichte und Bedeutung des Kesslerlochs begreiflich zu machen. Zum Zweiten unsere Ausstellung „Rentiermannen“ welche die 50 Jährige Geschichte des UOV Reiat informativ zusammenfasste und in den zeit- und eid- genössischen Zusammenhang brachte. Beide Ausstellungen konnten im ehemaligen Holcim Gebäude untergebracht werden, nachdem der ganze Bau während mehreren Tagen von den Vereinsmitgliedern inner und aussen auf Hochglanz gebracht wurde.

Das Kernstück der Veranstaltung waren jedoch zweifelsfrei die mit Sorgfalt eingerichteten fünf Steinzeitposten. Jung und Alt waren eingeladen die hohe Kunst der Steinzeit zu erleben. Dazu wurden ausgewiesene Experten aufgeboten, welche zu folgenden Themen die geschichtliche Authentizität sicherstellten.

Ausweiden

Direkt im Kesslerloch war dieser Arbeitsplatz postiert, der genau genommen „Verwerten“ hätte heissen müssen. Ein Rehbock wurde dabei mit Steinwerkzeugen fachgerecht zerlegt und bei jeder einzelnen Faser wurde dem Betrachter aufgezeigt welche Bedeutung diese für die Rentierjäger hatte. Erstaunlich wie unsere frühen Vorfahren sorgsam mit den Ressourcen der Natur umzugehen wussten. Kein Wunder beschlich dabei jeden ein etwas komisches Gefühl zuzusagen als Vertreter des modernen Wegwerfzeitalters. Auf dem nahen Feuer war es auch möglich, die sorgsam herausgetrennten Fleischstückchen zu braten und zu verspeisen.

Speerschleudern

In einem Armeezelt, welches auf zwei Seiten offen stand, wurde der Schützenstand eingerichtet und etliche Exponate von Speeren, Pfeilen und Bumerangs machten „glustig“ sich selbst zu versuchen. Das Ziel war, ein Bär auf einem Leintuch vor einer Wand aus grossen Strohballen. Fast jeder traute es sich zu, einen Speer zu schleudern. Doch als erkannt wurde, dass dies mit Hilfe eines Hebels zu geschehen hatte, sozusagen als Verlängerung des Unterarmes, steigerte sich das Erstaunen und gleichzeitig schwand das Selbstvertrauen. Dank der geduldigen Anleitung der Experten und der UOVler, kam aber fast jede und jeder nach etwa 3–5 Versuchen zu einem Erfolgserlebnis. Der Andrang an diesem Posten war dadurch auch besonders gross. Während fast 7 Stunden wurde Speere geschleudert – ohne Unterbruch. Interessant war auch zu sehen, dass dies mit Kraft nicht sehr viel zu tun hatte. So machte manches kleine Mädchen eine bessere Figur als erwachsene Männer und alle waren froh, mit dieser Disziplin nicht die Familie ernähren zu müssen.

Werkzeuge herstellen

Schutzbrillen waren zugelassen, alles andere am Posten war authentisch. Mitteln und Materialien wie sie damals in der Steinzeit verwendet wurden standen zur Verfügung. Mit Hämmern aus Holz oder Geweih wurden Feuersteine (Silex) beschlagen und mit einer speziellen Technik, genannt „Drücken“ auch nachgeschärft. Gute Werkzeuge selber herstellen zu können, bedeutete für unsere Vorfahren das eigene Schicksal zu beeinflussen. Untergang oder Überleben einer Sippe hing of einzig und alleine von diesem Faktor ab. Unter fachkundiger Anleitung konnte selber versucht werden eine Schneide abzuschlagen und nicht selten war das Resultat so scharf, dass sogar die Haare am Unterarm abrasiert werden konnten. Doch ein wirklich brauchbares Werkzeug war damit noch lange nicht geschafften. Die umfassende Formgebung für die Verwendung des guten Stückes als Faustkeil oder auf einer Speerspitze war dann doch noch eine andere Anforderung.

Feuer machen

Das war der eigentliche Hammerposten, denn pro Demonstration drängten sich oft mehr als 50 Personen um den Experten Daniel Müller aus Chur. Er wusste nicht nur blendend mit der spannenden Materie umzugehen, sondern vermochte mit seiner gewinnenden Art die Kinder und die erwachsenen Zuschauer regelrecht zu fesseln. Mit Hämatit (Roteisenerz) schlug er Funken auf kleine Matten aus Zunder (vom Zunderpilz) um die Glut zu entfachen und er erklärte die entscheidenden Details und Besonderheiten des Feuermachens mit dem Feuerbogen. Der tosende Applaus war ihm jedes Mal sicher, sobald sich der Rauch verzog und die Flammen ungezügelt aus dem Knäuel aus trockenem Stroh schlugen.

Kunst gestalten

Ein wesentliches Merkmal, das bereits den frühen Menschen vom Tier unterschieden hat war der künstlerische Aspekt. Nebst der Nahrungsbeschaffung und Fortpflanzung wurde damit eine neue Dimension geschaffen, der Startschuss für die eigene Kultur. Am Posten konnte unter fachkundiger Anleitung mit natürlichen Mitteln und Materialien jeder selber künstlerisch tätig sein. In einer nachgebauten Höhle aus Armee Plachen war es sogar möglich dem „Überkopf- Feeling“ beim Arbeiten nachzuleben. Ich persönlich vermute, dass sich dabei parallel auch die ersten Chiropraktiker „entwickelt“ haben. Auf jeden Fall war das Engagement der Besucher auch hier sehr beeindruckend und beim gemeinsamen Nachtessen, nach dem Event, wurde sogar eines der Kunstwerke zu Gunsten des Projektes „Attraktivierung Kesslerloch“ versteigert.

Abschliessend kann festgestellt werden, ein toller, würdiger Anlass zu unserem Jubiläum, mit dem Potential durchaus nachhaltig auf den Reiat zu wirken.

Romeo Bucher