U Beresina 2007

Ich muss diese Geschichte jemandem erzählen; ein Psychologe hätte dafür Geld verlangt und so begnüge ich mich damit, sie euch zu schreiben. Das ist gratis.

Doch vorab dies: An der Vorstandssitzung hatte Alle den Auftrag erhalten, die U "Beresina" zu organisieren. Weil ein Militärkamerad von mir sein Interesse für eine Teilnahme an der Übung mit ein paar Kollegen bekundet hatte, hatte ich mich bereit erklärt, bei der Ausarbeitung Alle unter die Arme zu greifen. Der Militärkamerad mit seinen Kollegen sagte ab, ich blieb. So kam es, dass ich mit Alle ein Datum festlegte, an dem wir das Übungsgelände rekognoszieren gehen würden. Mein Vorschlag war die Thur. Als ich also an diesem Dreikönigstag frühmorgens zu Alle ging und zum vereinbarten Zeitpunkt an seine Wohnungstüre klopfte – das Läuten unten an der Eingangstür zum MFH war nicht erhört worden – und auch so kein Lebenszeichen von Alle erhielt, musste ich mich mal wieder am Hinterkopf kratzen und überlegen, ob es nicht doch gescheiter gewesen wäre, mich nach dem Nachtdienst in die Koje zu hauen. Da auch sein Handy unbeantwortet blieb, machte ich mich wieder auf den Weg nach Hause, als es endlich klingelte. Alle ist's und sagt, er komme gleich. Er habe nur noch schnell eine Einvernahme abschliessen müssen, denn auch er hatte Nachtdienst. Also treffen wir uns im Mat Mag und laden unsere neuen M2-Boote ins Auto und gehen nochmals zu ihm nach Hause, wo wir die Route besprechen. Ich hatte ja gesagt, dass ich gerne auf die Thur wolle und so schlägt er mir Kaltbrunn im Toggenburg vor. Zum Glück ist der Tank meines Opels leer, so dass wir nochmals bis zur Tankstelle eine Bedenkzeit haben. Ich suche also nochmals das Gespräch mit ihm. Seine Idee ist eine Zwischenlösung: Etwas Neues, aber in der Nähe: die Töss. Auf dem Weg nach Winterthur-Wülflingen überqueren wir sie ein paar Mal und sehen so, dass sie genügend Wasser führt für eine Befahrung. In Wülflingen angekommen, sehen wir schon das erste Hindernis. Das heisst, für mich ist's eins, für ihn ist's eine gute Möglichkeit, eine Abseilstation einzurichten. Lassen wir das aber vorerst, denn der Weg bis zur Tössegg ist noch lange und unerforscht, also wassern wir – unterhalb des Wasserfalls – ein.

Er Steuermann, ich mit Feldstecher 31 auf dem Ausguck. Ausguck oder Lauschposten, wir hören nämlich bald ein bedrohliches Rauschen. Weniger berauschend als eher dumpf grollend. Alle macht einen Blick auf die Karte. Bingo, eine Höhenlinie, die auf der 1:25'000 Karte über die Töss führt. Na toll, Ausweichmöglichkeiten gibt’s keine und so seilen wir wenigstens hier über den Wasserfall ab. Bis jetzt haben wir erst ein paar hundert Meter hinter uns und bereits eine Stunde geschwitzt. Es hat nämlich 10 Grad über Null. So beschliessen wir, wohl eher auch unterhalb dieses Wasserfalls an der Beresina einzuwassern, obwohl der Ideen, dieses Bollwerk an der Beresina zu meistern, viele sind. Was bis zur Tössegg weiter kommt, sind unzählige Stromschnellen, Schluchtenlandschaften und ruhigere Gewässer, worüber ich hier nichts weiter verraten will. Das Übungsgebiet ist also rekognosziert (bei 10 m3 Wasser Abfluss/s) und festgelegt. Wir werden auf die Töss gehen. Müde, um nicht zu sagen übermüdet, treten wir unseren Heimweg an, gerade noch, bevor es eindunkelt und um ein herrliches Erlebnis reicher.

Die Beresina rückt näher, die Wasserfördermenge auf www.hochwasser.zh.ch sinkt stetig. Trotzdem gehe ich am Freitag vor der Beresina – wieder nach einem Nachtdienst – nach Hinwil und hole den Mercedes Sprinter ab. Eigenlicht, sagt der AMPler, hätten wir grosses Glück, denn die Fahrzeuge seien alle für die Polizei und das WEF reserviert gewesen und das einzige übrige Fahrzeug kaputt. Die Polizei hat verzichtet, wir den Sprinter erhalten. So fahre ich also nach Kloten, denn dort wird (hoffentlich) Alle sein, und mithelfen, das Material zu fassen. Er ist da, das Material noch nicht. Janu, gehen wir halt noch ins Kaffee. Hatten ja sowieso noch keinen Zmorgen. So trifft zwischenzeitlich der Rest des Materials, quasi ofenfrisch, doch noch im Zeughaus ein und kann in den Sprinter verladen werden. Jetzt fehlen nur noch die M6-Schlauchboote (das Hauptsächliche Material für die Beresina), diese müssen wir nämlich im Zeughaus Schaffhausen holen. Am Telefon sagt man uns, wir sollen erst am Nachmittag kommen, die Boote hätten sie noch nicht. So zaubert uns Daniela schnell einen Zmittag hin, wonach wir dann ins Zgh Shf fahren können. Die Boote sind noch immer nicht da. Darum fahre ich jetzt nach Hause und kümmere mich mal etwas um die Familie. Babyschwimmen ist nämlich angesagt. Zu späterer Stunde rufe ich Alle an, ob ich nun zuerst Znacht essen soll oder wir gleich die Boote holen gehen können. Die Boote seien nicht gekommen. Sie steckten in irgend einem Bahnwagon fest. So habe ich also endlich.... Moment, habt ihr das mitgekriegt?! Nach einem ganzen Tag Materialzusammenkratzen in der ganzen Nord-Ostschweiz fehlt das Eigentliche, die Boote ??!! Ich nehme ein Magnesium zu mir, um mich nicht weiter daran zu verkrampfen und freue mich zum ersten Mal, dass wir nicht zu viele Anmeldungen für die Beresina haben. Mehr haben sowieso nicht Platz in unseren zwei M2(!)-Booten. So hat sich deren Kauf bereits das erste Mal gelohnt, wenn man von der Reko absieht. Nochmals: So habe ich also endlich Feierabend und kann zu Hause bleiben und essen, früh zu Bett gehen und dann um 0500 Uhr am Samstag aufstehen.

 
 
 

Da die Töss nicht befahrbar ist, sage ich Max und Rolf, die sich um 0600 Uhr pünktlich beim Feuerwehrmagazin einfinden, dass wir das Programm geändert haben. Max ist nicht unglücklich, dass es nicht auf die Töss geht, waren doch schon die einen oder anderen Gerüchte in Umlauf, was uns wohl für eine Riverraftingtour bei diesen winterlichen Temperaturen erwarten würde. Alle ist bereits im Mat Mag, wo wir die Boote einladen. Dann geht er noch schnell rekognoszieren, wo wir an der Thur, wohin es nun doch geht, auswassern werden und wir anderen fahren wie abgemacht zu unserem Junior. Dann geht's noch zu Kurt, der ja auf dem Weg ins Zielgebiet wohnt. Beim Auswasserungspunkt nehmen wir Alle auf, lassen seine Occasine da und fahren dann zum Einwassserungspunkt. Ich kenne nur Altikon, dort hatte ich mal ein Mäuschen, also fahren wir dorthin. Bei der Sägerei vorbeifahrend, erzähle ich von meinen Bettgeschichten hinter dem oberen linken Zimmerfenster. Aber auch von denen hinter dem oberen rechten Zimmerfenster, denn das Mäuschen hatte noch eine ältere Schwester.

Um 0730 Uhr können wir dann einwassern, wovon ich ein paar Fotos schiesse. Dann sind die Batterien leer, die mir Daniela noch extra aufgeladen hatte(?). Da wir einen Holzrost vergessen haben, stecken wir die Kleinen ins Boot ohne Holzrost. Vier ausgewachsene Männer teilen sich das andere M2. Der Tiefgang ist beachtlich und eine kommende Stromschnelle daher ziemlich bedrohlich. Das sieht man auch an Kurts rotem Kopf, der uns zusammenscheisst, wir sollen verdammt noch mal rudern, wenn er befiehlt zu rudern. So holt sich also Rolf bereits nasse Füsse, denn er hat der Packliste des Tagesbefehls nicht Folge geleistet. Um 0915 Uhr treten dann die urtümlichsten Bedürfnisse an den Tag. Wir sind noch nicht mal in Andelfingen und frieren uns die Ärsche ab. Apropos: Einer klagt, er müsse nun endlich mal sch... gehen und schlägt vor, einen Halt zu machen. Machen wir, denn alle anderen müssen ihre Blase leeren. Das Bild von den seichenden Gestalten erinnert mich an die Tour de Suisse, an der die Radfahrer mal unter einer Brücke in Baden nebeneinander vor dem Start ein gemeinsames Wettpinkeln machten. Nur schneite es damals nicht und war etwas wärmer.

Um 1220 Uhr kommen wir schliesslich bei der Rheinmündung an, wo wir endlich auswassern. Zum Glück hat Alle noch in der Früh Tee, Kaffee, Bouillon und heisse Gerstensuppe gekocht, so können wir uns ein bisschen aufwärmen. Nach einer langen, langen, sehr langen Fahrt. Schliesslich können wir uns am Feuer die Hände wärmen und die mitgebrachten Würste grillieren. Eine herrliche Landschaft, unsere Heimat, und so bleibe ich mit Alle noch etwas länger als die anderen, bis es wieder eindunkelt, denn Holz und Tabak haben wir ja noch genug. War's der Aufwand wert? Ja, und die Töss holen wir nach, sobald sie wieder 10m3 Wasser runter führt.

Augsi