Beizensprint 2008

Es dunkelt schon ein, als ich müde am Ziel meiner langen Reise in St. Antönien eintreffe. Mit den SBB fuhr ich im Zug von Bern nach Zürich, weiter nach Landquart, dann mit den RhB nach Küblis und schlussendlich mit dem kleinen Postbüsschen nach St. Antönien. Dort angekommen, werde ich von Max und Kurt Müller mit dem auto abgeholt und zu unserer Unterkunft gebracht, wo Alle und Butz auch schon da sind. Bei einer Familie auf dem Bauernhof beziehen wir Quartier für die beiden folgenden Nächte. Vom Komfort dieses Lagers bin ich sehr überrascht, habe ich doch etwas ganz anderrrees erwartet. Bevor ich mich schlafen lege, esse ich noch ein wenig von den Spaghettis und dem Fleischkäse. Auch die Packung für den nächsten Tag will noch gemacht werden. Später treffen noch Mulle und Christian Schmitz ein. Romeo und Stefan Büchler erreichen den Bauernhof erst zur weit vorgerückten Stunde. Schliesslich rolle ich meinen Schlafsack aus und steige in meine Heia.

Schon um 4 Uhr leutet der Wecker. “Spinne ich, so früh aufzustehen?” denke ich mir. Trotzdem rappele ich mich auf, ziehe meine Kleider an und mache meine Morgentoilette. Weil ich nicht recht weiss, was mich an diesem Tag erwarten wird, bereite ich in der Küche ganze drei Sandwiches zu. Dass wir den Klettersteig zur Sulzfluh begehen wollen, ist mir bekannt, doch die weitere Wegplanung kenne ich nicht, weil ich mich schon früher schlafen legte. Mit drei Sandwiches sollte ich für ein Weilchen genügend zu essen haben. Nach einem ausgiebigen Frühstück packe ich meinen Rucksack fertig und bereite mich frü die Tour vor.

Dann gehts los! Gemeinsam fahren wir mit dem Auto bis zum letzten Parkplatz oberhalb von St. Antönien. Während weiterhin die Dunkelheit der Nacht vorherrscht, gehen wir von da an zu Fuss weiter. Zunächst gehen wir Richtung Restaurant Alpenrösli, wo wir einige kleine Sachen für den Rückweg deponieren möchten. Weil der Weg nich weit sein soll, nehme ich einen Plastiksack für die zu deponierenden Sachen. Dies wird sich später noch als als wirklich unvorteilhafte Packung herausstellen. So tase ich teilweise etwas unbeholfen durch dir Nacht. Erste Orientierungsschwierigkeiten verschlimmern dies weiter, denn wir habe die Abzweigung für unseren Weg verpasst. Statt ein Stück zurück zu gehen, wählen wir die Diretissima. So ohne etwas zu sehen in den Bergen herumzutorkeln zerrt sehr an meinen Nerven und entmutigt mich. Schliesslich treffen wir wieder auf den Weg, was mich wieder besänftigt.

Bis zum Alpenrösli ist es nun nicht mehr weit und trotzdem diskutieren wir bei dieser Baustelle, ob wir unsere Sachen für den Rückweg hier deponieren wollen. Es herrschen wie immer viele Meinungen, doch schliesslich einigen wir uns darauf, die Sachen direkt beim Alpenrösli zu deponieren. Als wir im Restaurant ein Licht sehen, schauen wir durchs enster er Türe, ob wohl jemand da sei. So scheuchen wir schon um halb sechs die Wirtin auf, was sie nicht gerade erfreut. Trotzdem können wir hier unsere Materialdepot einrichten.

Wir befinden uns nun auf der letzten Teilstrecke vor dem Einstieg des Klettersteiges. Die Dämmerung setzt langsam ein. Noch bevor wir den Klettersteig erreichen klagt Butz über heftige Bauchschmerzen. Um keine Risiken einzugehen, beschliesst er, den Rückweg anzutreten. Mit einem Satz Karten ausgerüstet macht er sich wieder auf den Abstieg. Auch Christian kämpft. Er meint, dass er bald einmal Krämpfe haben wird. Dennoch steigt er mit uns weiter auf.

Endlich kommen wir beim Klettersteig an. Es heisst nun, die Klettergurten an zu ziehen Doch die Gurten der Armee bereiten uns einiges Kopfzerbrechen, so wie die verschiedenen Bänder und Schlaufen ineinander verwirrt sind. Doch Probleme wie diese Verflechtungen sind ja zum Lösen da. So hat nun jeder einen Klettergurten um die Hüfte und daran das Klettersteigset befestigt. Das Klettersteigset hat zwei “Eselohren”, wie die beiden langen, mit Karabinern versehenen Schlaufen von Alle genannt werden und wird am Klettergurten befestigt. Noch sind wir im Schatten, als Stefan als erster den Aufstieg in Angriff nimmt. Hinter den Berggipfeln lässt sich allerdings schon die Sonne erahnen.

Schon die ersten paar Meter stellen eine Herausforderung dar. Später erklärt mir Alle, dass dies bei vielen Klettersteigen der Fall ist, damit unsichere Personen abgschreckt werden. Doch alle meistern die ersten Passage bravourös und bald ist von den ersten nichts mehr zu sehen, weil sie hinter einer Felsnase verschwunden sind. „Hey Christian, wie hesch?“ ruft Alle hinter mir hevor. „Eifach geil!“ tönt voller Elan von weiter oben zurück. Schritt um Schritt geht es weiter nach oben. Und jedesmal wenn ich über einen Felsvorsprung komme, erlebe ich einen Sonnenaufgang – was für ein toller Tag! Und schon sind wir beim Bänkli, etwa in der Mitte der Route. Eigentlich wollten wir hier eine kleine Pause einlegen, doch die Spitzenmannschaft hat dies nicht erfahren und steigt munter weiter hoch. Zwischendurch „motivieren“ wir uns gegenseitig. „Stell dir vor, wenn in ein paar Jahren der Lift links des Klettersteiges gebaut ist, dann habe wir den ersten, behindertengerechten und rollstuhlgängigen Klettersteig der Welt!“ meint Romeo...

Weiter geht es über ein paar Querbänder, bis der Weg wieder ansteigt. Die Felswand ist hier beinahe senkrecht, an einigen Stellen sogar leicht überhängend, so dass man Luft zwischen dem Rücken und dem Rucksack hat. Hier spürt man besonders gut, mit welcher Kraft der Föhn über die Berge zieht. Manchmal, kommen so starke Böhen, dass es einem beinahe von der Wand wegfegt. Zum Glück habe ich noch eine schützende Jacke an, so dass ich wenigsten nicht frieren muss.
Die Seilbrücke ist für mich das absolute Highlight. Es ist ein tolles Gefühl, so über dem Abgrund zu sein. Hunderte von Meter geht es bis ins Tal hinunter. Nur ein paar Seile trennen mich davon. Weiter gehts über die sogenannte Klagemauer zur Brücke, eine Leiter, welche über die Felsen gelegt ist, so dass man einen weiteren Abgrund überwinden kann.

Schliesslich, etwa 450 Meter höher und etwa 2 Stunden später sind wir am Ende des Klettersteiges angelangt. In wenigen Minuten kraxeln wir noch die letzte, relative flache Wegstrecke zum Gipfelkreuz hoch, wo wir auf 2817 Meter über Meer den wohlverdienten Gipfel-Appenzeller geniessen.

Dannach machen wir uns wieder auf den Abstieg. Über das Karrenfeld geht es zunächst auf der nördlichen Seite der Sulzfluh Richtung Tal. Die Landschaft beeindruckt mich sehr. Man kann hier wunderbar über die weite, steinige Ebene schauen, auf welcher der Weg durch die vielen Steinmannli markiert ist. Wir machen einen kurzen Abstecher zu einem weiteren, ganz in der Nähe gelegenen Klettersteig. Hier sind wir nun beim oberen Ausstieg des Klettersteiges. Der Klettersteigführer beschreibt hier, dass es eine Variante wäre, diesen Steig in der entgegengesetzten Richtung zu absolvieren. Doch unserer Ansicht nach ist dies ein eher schwieriges Unterfangen. Vor allem darum, weil man immer wieder „Gegenverkehr“ hat und ausweichen muss. Die Aufsteigenden würden wohl keine Freude an uns haben und uns für wahnsinnige Geisterfahrer halten.

Auf dem Weg zur Tilisunahütte treffen wir auf Max und Rolli, welche auch gerade auf der Sulzfluh waren. Bei der Tilisunahütte, stärken wir uns beim Mittagessen. Doch der Wurstsalat von Christian scheint keinen von uns zu überzeugen, so dass das meiste davon übrig bleibt. Die Österreicher haben anscheinend eine ganz andere Vorstellung von einem feinen Wurstsalat.
Etwas früher brechen wir wieder auf, um Richtung Restaurant Alpenrösli weiter zu marschieren. Unterwegs sehen wir ein Murmeltier, eine kleine Zollhüte, welche ganz in den Fels eingelassen ist und eine Höhle. Beim Partunsee begegnen wir noch einem U-Boot...

Im Alpenrösli nehmen wir eine weitere, kleine Stärkung in Form eines Getränkes zu uns. Dann wartet hier ein weiteres Abenteuer auf uns. In einem grossen Topf wurden circa zwei Kubikmeter Wasser angeheizt. Hier kamen nun die Badkleider zum Zug, welche wir schon am Morgen früh hier beim Restaurant deponiert hatten, denn der grosse Topf stellt einen mit Holz beheizten Whirlpool dar. Doch dass Wasser ist schon viel zu heiss, so dass man wie ein Krebs rot anläuft. Wir stellen uns die Frage, ob nach solch einem heissen Bad des Vaterland's Glück noch intakt ist... Mit kaltem Wasser wird der Pool auf eine angenehmere Temperatur gebracht, so dass man gemütlich im Wasser sitzen und dazu einen weiteren Appenzeller geniessen kann.

Nach einer langen Wartezeit geht es mit Trottinetts in einer sehr rasanten Fahrt wieder zurück ins Tal zu unserer Unterkunft. Ein krönender Abschluss des Tages bietet das feine Nachtessen im Restaurant Rhätia. Das Essen mundet uns sehr und auch die hervorragende Bedienung gefällt uns sehr... Während die einen noch eine Runde Jassen ziehen sich die anderen todmüde in die Unterkunft zurück, um gleich ins warme Nest zu kriechen und bald in den schönsten Träumen zu versinken.

Alles in allem war es ein sehr toller und abwechslungsreicher Beizensprint. An dieser Stelle möchte ich dem Organisator im Namen aller Teilnehmenden ganz herzlich für den überaus gelungenen Anlass danken. Merci Thomas!

Der kletternde Fotograf und Schreiberling
rolf suter